Dat bleek men bij de productie al te weten, maar nam het op de koop toe omdat men nooit had gedacht dat die stuurtjes dertig, vijftig jaar later nog hun dienst zouden moeten doen.
Het is een chemisch 'autokatalytisch' proces dat men ook bij oude Legosteentjes, geluidsbanden en filmrollen tegenkomt en dat bekend staat als het 'Vinegar Syndrom'.
Op het duitse Pappenforum blijkt al twaalf jaar een uitleg te staan:
In het kort: Wat ik als niet-chemicus begrijp, is dat het vanzelf in zuren uiteenvallende suikerverbindingen zijn, die dan aan de oppervlakte uitkristalliseren. Er is niets tegen te doen, er is ook geen gezondheidsgevaar. Met koel en donker bewaren zou je het proces kunnen vertragen.Nachdem ich Kontakt mit Mitarbeitern des (ehemaligen) Herstellerwerks aufgenommen hab, haben sich einige neue Erkenntnisse herausgestellt und anderes hat sich bestätigt.
Zuallererst: es gab nie Lenkräder aus Bakelit für den Trabant.
Die weiß-grauen und die kurzeitig produzierten schwarzen (etwa bis 68 produziert) bestehen wohl aus Polyamid (http://de.wikipedia.org/wiki/Polyamid).
Die späteren Schwarzen bestehen aus einem anderen Thermoplast.
Dieser wurde übrigens um ein Metallgestell, den sog. Grundkörper, gespritzt.
Bei dem späteren Kunststoff handelt es sich aber nicht um PET sondern um Celluloseacetat (CA), auch hin und wieder als „Sachsetat“ bezeichnet.
Cellulose ist jedem bekannt (http://de.wikipedia.org/wiki/Cellulose). Es ist ein lineares Polysacharid, aufgebaut aus bis zu mehren tausend Glucoseeinheiten.
Diese Zuckereinheiten haben mehrer OH-Gruppen welche beim Celluloseacetat mit Essigsäure verestert sind (http://de.wikipedia.org/wiki/Celluloseacetat). Darin liegt auch wieder das Problem. Unter bestimmten Einflüssen, wie Temperatur, Licht, Basen und vor allem Feuchtigkeit und Säuren, kann diese Verbindung gespalten werden und es entsteht Essigsäure. Die Essigsäure kann dann weitere Ester spalten. Das bedeutet dieser Prozess ist autokatalytisch. Weiterhin ist es dadurch möglich, dass die Celluloseketten langsam in kürzere Polysacharide bis sogar zur Glucose gespalten werden.
Dieser Prozess lässt sich, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr aufhalten. Auch das Einbringen einer Base wird nichts bringen, da die Esterspaltung auch basenkatalysiert abläuft.
Durch den Abbau entstehen also zuerst Spannungen im Material, danach läuft einem langsam ein Gemisch aus Essigsäure und verschiedenen Polysachariden aus dem Lenkrad. Diese kristallisieren dann mit der Zeit sogar am Lenkrad aus.
Allerdings braucht sich keiner Sorgen um seine Gesundheit zu machen, mal abgesehen von vielleicht beigemischten Additiven, sind die Zerfallsprodukte absolut harmlos. Celluloseacetat wird unter anderem auch für Arzneikapseln verwendet.
Die Tatsache der Zersetzung war auch schon im Werk bekannt und wurde in Kauf genommen. Man hat wohl nicht damit gerechnet, dass die Lenkräder nach 30 Jahren noch im Einsatz sind.
Einen Einfluss der Grundkörper lässt sich auch weitestgehend ausschließen. Hierzu wurden schon im Werk Versuche mit verschieden behandelten bzw. veredelten Grundkörpern gemacht. Nach einiger Zeit in der Klimakammer traten bei allen die bekannten Zerfallserscheinungen auf.
Weiterhin wurden Versuche mit dem so genannten „tropenfesten Kunststoff“ Cellulose-Aceto-Butyrat (CAB) unternommen. Ob dieser Kunststoff in den Trabant Lenkrädern zum Einsatz kam ließ sich nicht genau ergründen.
Ob ein Lackieren oder luftdichtes Beschichten der noch intakten Lenkräder etwas bringt ist fragwürdig, da der Prozess von „innen heraus“ erfolgt.
Dieses Phänomen ist im Übrigen nicht nur auf die DDR begrenzt. Die langsame Zersetzung des Kunststoffs gibt’s es überall. So sind z.B. auch alte Legosteine, Tonbänder und Filme aus diesem Material betroffen. Durch die freiwerdende Essigsäure hat sich hierzu der Begriff des „Vinegar Syndrome“ eingeprägt. In diesem Zusammenhang gibt es auch Empfehlungen zur Lagerung solcher Kunstoffe (http://en.wikipedia.org/wiki/Cellulose_acetate_film). Wer Produkte aus solchem Kunststoff lange erhalten möchte, sollte diese also kühl und trocken lagern.
Ein weiterer Punkt wäre gewesen, die Lenkräder mit vorhandenen Grundkörpern und modernem Kunststoff neu fertigen zu lassen. Dazu hätte man lediglich den alten Kunststoff erst mechanisch/thermisch und dann chemisch entfernen brauchen. Aber das geht NICHT! Die dazu nötigen Formen sind im Herstellerwerk leider nicht mehr vorhanden. Die Anfertigung neuer Formen dürfte den Preis in astronomische Höhen treiben. Fraglich ist natürlich auch, inwieweit die Grundkörper unter dem Einfluss der Essigsäure „überlebt“ haben.
Wer kann und möchte, sollte von einem guten Lenkrad vielleicht einen Abdruck erstellen. Daraus könnte man dann ggf. in ein paar Jahren wieder eine Form anfertigen.